Preis 2024 der Winter Stiftung
für Rechte der Natur
Mit dem Preis 2024 der Winter Stiftung für Rechte der Natur werden herausragende Arbeiten gewürdigt, die sich mit den rechtlichen Möglichkeiten und Konzepten zur substantiellen Verbesserung eines Schutzes der Natur oder ihrer Bestandteile befassen.
Die Jury:
Prof. Ivo Appel, Jan Mittelstein, Dr. Roda Verheyen, Prof. Ulrich Ramsauer, Dr. Georg Winter.
Einstimmig entschied die Jury - der Preis 2024 geht an:
Kategorie Dissertation
Nina Kerstensteiner
Tiere vor Gericht? Strukturelles Durchsetzungsdefizit im Tierschutzrecht und die Rolle der strategischen Prozessführung,
Universität Regensburg
Die Interessen von Tieren und Natur vor Gericht zu vertreten, wird zunehmend als eine der großen Herausforderungen unserer Zeit zur Herstellung umfassender sozialer Gerechtigkeit verstanden. Die Arbeit beschäftigt sich mit dem gesellschaftlichen Wertewandel und der Notwendigkeit einer rechtlichen Abbildung. Entscheidendes Defizit des geltenden Rechts ist das strukturelle Durchsetzungsdefizit. Mangels subjektiver Rechtsverletzung besteht bei Verstößen gegen das Tierschutzgesetz keine gerichtliche Kontrollmöglichkeit. Die Dissertation verschreibt sich unter anderem der Frage, ob es einer tierlichen Rechtsfähigkeit bedarf, um das geltende Recht durchzusetzen. Sie beleuchtet Reformmöglichkeiten und ordnet die strategische Prozessführung im Bereich des Tierrechts in den deutschen Kontext ein. Unter Zugrundelegung von politischen und rechtlichen Aspekten zeigt sich, dass strategische Prozessführung ein taugliches Mittel ist, um gesellschaftlichen Wandel rechtlich abzubilden.
Kategorie Aufsatz
1. Dr. Andreas Gutmann
Die Rechte der Natur. Zur ökologischen Eigenrechtsidee
Um die Krise des Anthropozäns zu bewältigen bedarf es auch einer Veränderung des Rechts. Immer häufiger wird hierfür vorgeschlagen, die Natur selbst mit eigenen Rechten auszustatten. Solche Rechte der Natur finden sich mittlerweile in verschiedenen Rechtsordnungen der Welt. Das Kapitel zeichnet die Entstehung dieser Idee nach und unterwirft die hieran gestellten Erwartungen einer kritischen Revision. Häufig werden die Rechte der Natur als ein global einheitliches Konzept, das an allen Orten der Welt zur Bewältigung des Anthropozäns beitragen kann, dargestellt. Ausgehend von Ecuador, wo sich die bislang einzige Erklärung von Rechten der Natur in einer nationalstaatlichen Verfassung findet, sollen vorliegend hingegen die Unterschiede der verschiedenen Konzepte der Rechte der Natur herausgearbeitet werden. Dies geschieht anhand verschiedener Themenfelder, wie etwa dem Naturverständnis, der Frage, wer die Natur juristisch vertreten kann, oder dem Verhältnis von Rechten der Natur und Eigentumsrechten. Rechte der Naturwerden dabei als ein umkämpftes Konzept ausgedeutet, das aber gerade aus diesem Grund ermöglichen kann, die Konflikte des Anthropozäns in juristische Verfahren zu übersetzen.
Erschienen in: Kann das Anthropozän gelingen? Krisen und Transformationen der menschlichen Naturverhältnisse im interdisziplinären Dialog. Herausgegeben von: Olivia Mitscherlich-Schönherr, Mara-Daria Cojocaru und Michael Reder. Campus 2024
Dr. Andreas Gutmann
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fachgebiet Just Transitions, Kassel Institute for Sustainability, Fachbereich Humanwissenschaften, Universität Kassel
2. Prof. Dr. Jochen Sohnle
Die Rechte der Natur im Angesicht des Klimawandels?!
Prof. Dr. Jochen Sohnle
Agrégé de droit public
Full Professor of Public Law, Université de Lorraine, Nancy Law Faculty, France
Director, LL.M. Program "Local Authorities and European Union", Nancy Centre for European Studies (CEU Nancy)
Director, Legal, Political, Economic and Management Sciences Doctoral School (SJPEG Doctoral School), Université de Lorraine
Invited Professor, Sciences-Po Paris, Nancy Campus (Trilingual European Program)
Invited Professor, Université de Strasbourg (Environmental Law LL.M. Program; Political Science Postgraduate Program)
Université de Lorraine – Faculté de droit, sciences économiques et gestion
13 Place Carnot - C.O. 700 26 , 54035 Nancy cedex , France
jochen.sohnle@univ-lorraine.fr
irenee.univ-lorraine.fr/fr/jochen-sohnle
3. Dr. Stefan Knauss
Leben, Leid und Ganzheit – Physiozentrische Prinzipien der Ethik im deutschen Recht. Ökologische Transformation von Gesellschaft und Recht.
Im vorliegenden Beitrag werden die ethischen Prinzipien der Lebendigkeit (Biozentrismus), der Leidvermeidung (Pathozentrismus) und der Ganzheit (Ökozentrismus) vorgestellt sowie hinsichtlich ihrer Begründungsstruktur und ihrer normativen Implikationen analysiert. Als physiozentrische Prinzipien stellen sie auf normativ relevante Eigenschaften oder Fähigkeiten von Naturwesen ab, die nicht ausschließlich dem Menschen zukommen. Das deutsche Recht erkennt bis heute den tierischen Anspruch auf Leidvermeidung (§ 1 Satz 2 TierSchG), das menschliche und tierische Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 GG bzw. § 1 Satz 2 TierSchG), den Schutzanspruch von „Natur und Landschaft […] auf Grund ihres eigenen Wertes“ (§ 1 BNatSchG) an. Eine (umwelt)ethische Tiefenstrukturanalyse des deutschen Rechts zeigt, dass es implizit die Geltung der physiozentrischen Prinzipien der Pathozentrik, der Ökozentrik und – mit Ausnahme von pflanzlichem Leben – auch der Biozentrik voraussetzt.
Erschienen in: Ökologische Transformation von Gesellschaft und Recht
Diethelm Klesczewski, Janika Kepser, Felix Lingath, Frank Neuhaus (Hrsg.)
ISBN 978-3-8325-5745-4, 164 Seiten, Erscheinungsjahr: 2023
https://doi.org/10.30819/5745
Dr. Stefan Knauß
Research Associate Institute for Geosciences and Geography
Dept. Sustainable Landscape Development
Martin Luther University Halle-Wittenberg
Principal Investigator BioDiversity GOvernance and VALUES (BioGoValues), German Centre for Integrative Biodiversity Research (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
The Roots of Rights - Participatory Democracy, Indigenous and Local Knowledge and the Rights of Nature