Tiere vor Gericht?
Den Tieren und der Natur Rechte vor Gericht einräumen, dieser größten Herausforderung unserer Zeit stellt sich die Fachtagung „Tierschutz - Recht und Vollzug“ am Montag, den 4.11.2024 in Hamburg. Die Winter Stiftung für Rechte der Natur und die Universität Hamburg zielen mit der Veranstaltung auf die Weiterentwicklung des gesellschaftlichen Wertewandels im Recht.
Dr. Nina Kerstensteiner, Universität Regensburg entwickelt Erkenntnisse und juristische Lösungswege aus ihrer preisgekrönten Dissertation "Tiere vor Gericht?". Die Preisträgerin des Winter Preises 2024 identifiziert das strukturelle Durchsetzungsdefizit als entscheidenden Mangel des geltenden Rechts. Sie beanstandet, dass mangels subjektiver Rechtsverletzung bei Verstößen gegen das Tierschutzgesetz keine gerichtliche Kontrollmöglichkeit besteht. Dr. Kerstensteiner beantwortet unter anderem die Frage, ob es einer tierlichen Rechtsfähigkeit bedarf, um das geltende Recht durchzusetzen. Sie beleuchtet Reformmöglichkeiten und ordnet die strategische Prozessführung im Bereich des Tierrechts in den deutschen Kontext ein. Unter Zugrundelegung von politischen und rechtlichen Aspekten zeigt sich, dass strategische Prozessführung ein taugliches Mittel ist, um den gesellschaftlichen Wandel rechtlich abzubilden.
Und wie sieht die aktuelle Praxis aus? Die spannungsgeladene Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit im Themenkomplex Recht und Vollzug thematisiert Julia Pfeiffer-Schlichting, die Beauftragte für den Tierschutz des Landes Niedersachsen.
Naturschutz und Tierschutz gehen uns alle an. Nach Art. 20 a GG ist Tierschutz als allgemeines Staatsschutzziel definiert, der sich auch auf den Schutz einzelner Tiere erstreckt. Tiere empfinden Schmerz, Liebe, Freude, Einsamkeit und Angst. Dennoch können Menschen Tiere besitzen und für ihre eigenen Zwecke benutzen und töten. Tiere haben keine gesetzlich festgeschriebenen Grundrechte wie das Recht auf Leben oder das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit. Im Mittelalter standen Schweine, Pferde, Hunde direkt auf der Anklagebank.
Der Mensch hat alleine aus der Verantwortung für das Mitgeschöpf Tier dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Zur Vertretung von Tierschutzinteressen geht es heute darum Menschen oder juristischen Personen mit Rechtsfähigkeit - wie z.B. Interessenvertretern, Tierschutzverbänden etc. - Klagerecht einzuräumen und als Vertreter vor Gericht einzusetzen. Denn die Interessen einer GmbH oder eines Kindes werden schon heute von Anwälten juristisch vertreten. Vor dem Hintergrund einer jüngst von der Bundesregierung geplanten Novellierung des Tierschutzgesetzes wird das Thema in einer fachlich einschlägigen Publikumsdiskussion weiterentwickelt.
Auf der Veranstaltung zeichnet die Winter Stiftung für Rechte der Natur Dr. Andreas Gutmann (Universität Kassel), Dr. Stefan Knauß (Universität Halle-Wittenberg) und Prof. Jochen Sohnle (Université Lorraine, Frankreich) für die herausragende Qualität ihrer wissenschaftlichen Aufsätze mit dem Winter Preis 2024 aus.
Der Stifter Dr. Georg Winter folgte bei seinem lebenslangen Engagement für den Erhalt und für die Rechte der Natur dem Grundsatz Albert Schweitzers: "„Gut ist, Leben erhalten, Leben fördern, entwickelbares Leben auf seinen höchsten Wert bringen."